Für den Donnerstag sagten alle relevanten Wettermodelle das recht seltene Phänomen der Leewellen im Oberrheingraben vorher. Trotzdem gehört immer etwas Abenteuerlust, etwas Ausprobieren zu dieser Version des lautlosen Luftsports dazu.
Noch am Vorabend warnten einige Experten, die im Frontbereich von Tief Franziska herbeigeführte Feuchte in Form von Stratuswolken und Regenschauern würde das Fliegen an der Haardtkante unmöglich machen.
Trotzdem trafen die ersten Segelflieger am Donnerstagmorgen noch im Dunkeln auf dem Flugplatz in Lachen-Speyerdorf ein. Bei einem frischen Kaffee versammelte man sich im Clubheim, draußen prasselten noch die Regenschauer auf das Hallendach, bevor der kräftige Wind einsetzte.
Dann ist es jedes Mal wie eine Offenbarung: die Wolkendecke reißt auf, die Sonne scheint durch eine immer größer werdende Lücke auf die diesmal grüne Landschaft der Weinstraße.
Zeit für die Segelflieger die Hallentore aufzuschieben und mit vereinten Kräften die Flugzeuge startklar zu machen für die Höhenflüge.
Noch wichtiger neben dem Fluggerät ist bei den winterlichen Flügen allerdings die persönliche Ausstattung der Pilot und Pilotinnen. Warme Skikleidung gegen die kalten Temperaturen, Fußsohlenheizung und Wollmütze gehören zur Standartausstattung. Aber auch die Verpflegung und Entsorgung bei den frostigen Temperaturen in großer Höhe stellen eine Herausforderung da: eine gefrorene Banane kann man auch lutschen, ein gefrorener Apfel ist nicht essbar.
Ab Flughöhen von 4000m braucht der menschliche Körper Höhensauerstoff, um die abnehmende Luftdichte auszugleichen. Das lässt sich auch im Segelflugzeug mit kleinen Sauerstoffflaschen und Nasenkanülen bewerkstelligen.
Als am Donnerstag gegen Mittag die ersten Schleppzüge mit den Segelfliegern starten, sind die optischen Eindrücke überwältigend: während in der Südpfalz die Kollegen auf dem Flugplatz Landau-Ebenberg im Regen stehen, kann man von Neustadt aus durch eine große Föhnlücke in die Leewelle als Segelflieger einsteigen, und mit konstantem Steigflug schnell über die untersten Wolkenschichten steigen.
Das akustische Variometer zeigt mit hohem Piepsen die guten Steigwerte an, der zunehmende Wind lässt das Flugzeug fast auf der Stelle stehen. Es geht nach oben wie im Fahrstuhl.
Doch dann kommt bei der ersten Kurve die klassische Höhenbewölkung einer Leewelle in Sicht: die Lenticularis-Wolke. Eine Eiswolke in Linsenform, vom fast 100 km/h starken Wind geformt im aufsteigenden Ast der ersten Schwingung. Diesmal über der Vorderpfalz sogar als mehrfach übereinander gestapelte Version. In den Cockpits werden die Handykameras gezückt und das geniale Naturschauspiel festgehalten, während die Segelflugzeuge mit konstantem Steigflug an die Grenzen des Luftraumes stoßen.
Eigentlich gibt es seit diesem Winter ja das spezielle Wellenfenster für die Segelflieger, das die Freizeitpiloten in großen Höhen vor den dicken Verkehrsfliegern schützen soll. Doch als die ersten Neustädter Piloten gegen 14 Uhr die Flughöhe von 3000m erreichen, müssen sie den Steigflug an der Lenti-Wolke stoppen. Die Luftverteidigung hat kurzfristig ein Übungsgebiet über dem Pfälzerwald aktiviert, da ist leider kein Platz mehr für die Wellenflieger.
Gegen 15.30 Uhr wird es dann Zeit für die Segelflieger die Luftbremsen auszufahren und wieder abzusteigen. Die Föhnlücke erlaubte es zwischen Edenkoben und Grünstadt über die Wolkendecke zu steigen, doch jetzt kommen von Süden die nächsten Regenschauer hereingezogen. Das Naturschauspiel findet ein schnelles Ende.
Als die Flugzeuge wieder sicher verstaut und die Hallentore auf dem Lilienthal-Flugplatz wieder geschlossen sind, ist es so wie am frühen Morgen: dunkel und regnerisch.
Der Flugplatz gehört jetzt wieder den Schafen, doch die Segelfieger hatten schon ihre Weihnachts-Bescherung!